Im Norden nichts Neues? GrĂĽnde und Forschung zur Verteilung von MS

In den vergangenen Jahren ist die Anzahl an Menschen mit MS auf ca. 2,8 Mio. Betroffene weltweit angestiegen. Das entspricht im Durchschnitt 1 von 3.000 Personen. Insgesamt zeigt sich, dass vor allem auf der Nordhalbkugel immer mehr Menschen mit Multipler Sklerose leben. Der ĂĽberwiegende Teil davon sind Frauen. Doch was ist der Grund fĂĽr den Anstieg und die Verteilung?

Zum einen tragen sicherlich die verbesserten Diagnosemöglichkeiten dazu bei, dass immer mehr Betroffene sicher diagnostiziert werden können. Doch laut Experten reicht das allein als Erklärung nicht aus. Forscher untersuchen daher intensiv die Ursachen der Erkrankung, die in Schüben verläuft.

Auslöser der MS – den Ursachen auf der Spur

Fest steht: Bei Multipler Sklerose kommt es zu einem Angriff des Körpereigenen Immunsystems gegen das zentrale Nervensystem. Warum genau das passiert konnte bisher nicht erklärt werden. Es zeigt sich aber, dass bei MS das Erbgut, die Umwelt und die Lebensfaktoren das Immunsystem so beeinflussen können, dass es körpereigene von fremden Strukturen nicht mehr unterscheiden kann. Das heißt, es gibt meist mehrere verschiedene Auslöser, die zur MS führen können.

MS in den Genen: Vererbung der Erkrankung?

Wissenschaftler haben mittlerweile mehr als 200 Gene identifiziert, die Menschen für eine MS-Erkrankung empfänglich machen. Die meisten dieser Gene liegen in Regionen, die mit Zellen des Immunsystems in Verbindung stehen. Wie z. B. Mikroglia, die vorwiegend in unserem Gehirn aktiv sind. Um zu einem Risikofaktor für eine MS-Erkrankung zu werden, müssen diese Gene von ihrem Normalzustand abweichen. Das kann beispielsweise durch (MS-assoziierte) Mutationen, also Veränderungen in der DNA-Sequenz, geschehen.

Entgegen der weit verbreiteten Meinung ist die MS selbst nicht vererbbar. Was jedoch erblich bedingt sein kann sind verschiedene Genmutationen, welche zum Risiko einer MS-Erkrankung beitragen können. Bereits im frühen 19. Jahrhundert ist es Forschern aufgefallen, dass MS gehäuft in Familienverbänden auftritt. Und auch heute kann man bei Familienmitgliedern von MS-Betroffenen eine höhere Anfälligkeit beobachten. Statistiken zeigen aber, dass die Chancen an einer „familiären MS“ zu erkranken eher gering sind.

Neben den erwähnten Mutationen gibt es noch andere Faktoren, die zu Genveränderungen führen können. Zum Beispiel solche, die im Zusammenhang mit sogenannten epigenetischen Mechanismen stehen. Diese steuern unter anderem die Genexpression, d. h. das Ablesen der Gene und die Bildung der Genprodukte. Das Besondere an diesen Mechanismen ist, dass sie schon bei unserer Zeugung gesetzt sind, aber auch während unseres ganzen Lebens durch Umwelteinflüsse umprogrammiert werden können.

Damit eine MS-Erkrankung ausbricht, braucht es also mehr als nur bestimmte Gene.

Infekt und dann MS? Forschung zu Eppstein-Barr und chronischen Infektionen als Ursachen

Aufgrund der Beteiligung des Immunsystems bei MS wird schon seit langem der Einfluss von Infektionen auf die Erkrankung diskutiert. Insbesondere Infektionen mit dem Eppstein-Barr-Virus (EBV) sind hier ins Rampenlicht gerückt worden. Entsprechend umfangreich ist die Anzahl der Studien, die hierzu durchgeführt wurden. Dabei hat sich gezeigt, dass eine vorangegangene EBV-Infektion das Risiko für eine MS-Erkrankungen erhöhen kann. Es konnte jedoch bisher nicht belegt werden, dass sie eine Voraussetzung dafür darstellt, um an MS zu erkranken.

Auslöser der MS – Umweltfaktoren, die Multiple Sklerose begünstigen

Forscher konnten belegen, dass Umweltfaktoren, wie Sonnenlicht, Luftverschmutzung und Pestizide, ebenfalls einen Einfluss bei der Entstehung von Multipler Sklerose haben könnten. So zeigt sich, dass Menschen in Regionen mit starker Sonneneinstrahlung seltener an Multipler Sklerose erkranken. Daher gibt es im Norden Europas und Amerikas viel mehr MS-Betroffene als im Süden. Es gibt also einen Zusammenhang zwischen Sonneneinstrahlung und der Anzahl der Schübe – je höher die natürliche UV-Strahlung, desto geringer ist die Wahrscheinlichkeit für einen Schub.

Auch bei den Themen Luftverschmutzung und Pestizide zeigt sich eine mögliche Verbindung. So scheint die Prävalenz für MS in städtischen Gebieten, in denen erhöhte Feinstaubwerte gemessen werden, höher zu sein als in ländlichen Gebieten mit niedrigen Feinstaubwerten. Und auch die Anzahl von schubbedingten Krankenhauseinweisungen zeigt Zusammenhänge mit der Einwirkung von Luftverschmutzung. Es ist jedoch wichtig zu beachten, dass nicht in allen Studien zu MS und Luftverschmutzung solche Zusammenhänge bestätigt werden konnten. Ähnlich unkonkret ist auch die Korrelation zwischen MS und dem Einfluss von Pestiziden. Tierexperimentelle Untersuchungen weisen in die Richtung, dass Pestizide ein erhöhtes Risiko für die Entwicklung einer MS-Erkrankung sein können. Aber einen klaren Nachweis, dass Pestizide MS verursachen oder den Verlauf beeinflussen, gibt es aktuell nicht.

Meine MS – Meine Lebensgewohnheiten

Dass Lebensgewohnheiten, wie Ernährung, Trinkverhalten und Bewegung, einen großen Einfluss auf unser körperliches und geistiges Wohlbefinden haben, ist inzwischen vielfach untersucht und bewiesen worden. Daher ist keine große Überraschung, dass sie auch bei der MS in den Fokus der Forschung gerückt sind. Vor allem auch da wir unsere Lebensgewohnheiten direkt und eigenständig beeinflussen können.

Einer der Faktoren, die hier in Verbindung mit MS eine Rolle zu spielen scheinen, ist das Gewicht. Um den Zusammenhang zwischen BMI und MS näher zu betrachten, gab es in den letzten Jahren zahlreiche Studien. Mit gleich mehreren interessanten Ergebnissen. Zum einen scheint es eine Verbindung zwischen MS-Erkrankungen und einem hohen BMI im jungen Erwachsenenalter zu geben. Zum anderen wiesen MS-Betroffene gegenüber Nicht-Betroffenen häufiger genetische Merkmale auf, die in Verbindung mit Übergewicht (BMI ≥ 25) stehen. Natürlich beruht unser Gewicht nicht nur auf Genetik. Unsere Nahrungs- und Energiebilanz hat ebenfalls einen nicht zu vernachlässigenden Einfluss. Die Forschungsergebnisse stützen aber die Theorie, dass Übergewicht das Risiko einer MS beeinflussen kann. Ein gesundes Körpergewicht wirkt sich positiv auf den allgemeinen Gesundheitszustand aus und ist daher generell zu empfehlen.

Eng verbunden mit dem Thema Gewicht ist natürlich die Bewegung. Sie ist ein wichtiger Verhaltensfaktor, der mit einem gesunden Lebensstil einhergeht. Und auch mit einem niedrigeren MS-Risiko im Vergleich zu Menschen, die sich kaum bis wenig bewegen. Bei der Interpretation solcher Forschungsergebnisse ist es aber wichtig nicht zu vergessen, dass hier viele Umstände aufeinandertreffen können, die die Bewegungsmöglichkeiten beeinflussen. Auch schon vor der offiziellen Diagnose. Sogar so weit, dass der Zusammenhang umgekehrt interpretiert werden kann. Nämlich, dass eine MS zu Einschränkungen im Bewegungsapparat und damit bei Betroffenen schon vor der Diagnose zu weniger Aktivität führen kann. Fakt bleibt jedoch, dass Sport bei MS nachweislich zu deutlichen Symptomverbesserungen führt und neben gesunder Ernährung zu empfehlen ist.

Neben der physischen Verfassung sind unser Trinkverhalten und Konsum von Genussmitteln ebenso bedeutsam. Die Beobachtungen der Verbindung von Alkohol und MS sind teilweise widersprüchlich. Während mäßiger Alkoholgenuss mit einem geringeren MS-Risiko verbunden zu sein scheint, führt Alkoholmissbrauch zu einem signifikanten Anstieg des Risikos. Ähnliche Zusammenhänge wurden übrigens auch für MS und Kaffeekonsum festgestellt. Zu den Genussmitteln gehören aber auch Zigaretten. Dank zahlreicher Studien in diesem Bereich wissen wir, dass Tabakrauch unserem Körper schadet. Bei MS-Betroffenen ist dies nicht anders. Rauchen, auch Passivrauchen, scheint die Wahrscheinlichkeit eines Auftretens der MS zu erhöhen.

Jung, weiblich, MS: Multiple Sklerose bei Frauen

Bei der Suche nach den Ursachen für Multiple Sklerose forschen Wissenschaftler auch daran, warum Frauen häufiger an MS erkranken als Männer. Bisher konnte in Untersuchungen gezeigt werden, dass bei Frauen mit MS ein bestimmtes Eiweißmolekül häufiger vorkommt als bei Männern. Dieses scheint eine Rolle beim Einschleusen von entzündungsfördernden Zellen des Immunsystems in das zentrale Nervensystem zu spielen.

Warum bei Frauen mit MS das Eiweißmolekül in größeren Mengen vorkommt, konnten Wissenschaftler bisher nicht klären. Zu dieser Frage sind klinische Studien für die kommenden Jahre geplant.

Zusammengefasst heiĂźt das:

  • Insbesondere in den Industrienationen nimmt die Zahl der MS-Erkrankten immer weiter zu – unter ihnen sind vor allem Frauen.
  • Trotz intensiver Forschung sind die genauen Ursachen fĂĽr die Entstehung der Erkrankung nach wie vor ungeklärt.
  • Vermutlich spielen bei jedem Patienten ganz individuelle und unterschiedlich viele Faktoren zusammen, die dann zum Ausbruch der Krankheit fĂĽhren.
  • Neben genetischen Faktoren werden auch UmwelteinflĂĽsse wie Sonnenlicht und Ernährung diskutiert.


Wie sehen Deine Lebensgewohnheiten aus? Hast Du unter den oben aufgelisteten Faktoren welche erkannt, die auf Dich zutreffen? Sagt es uns gerne bei Facebook und Instagram.


DE-NONNI-00371 (02/2023)