Welchem Arzt kann ich glauben?
Sehr geehrte Herren Schneider und Sievers,
Bitte entschuldigen Sie vorab schon die LĂ€nge des Textes. Ich wĂ€re Ihnen sehr dankbar fĂŒr Rat und Antwort auf ein paar Fragen, die sich aus der
meinen beinahe absurden Erfahrungen ergeben.
03/2018
Unangenehme Schmerzen beim Bewegen des rechten Auges, ĂŒber Nacht aufgetretene Verschlechterung der Sehkraft, ein paar Tage lang weitere Verschlechterung. Via HA sofort zum Augenarzt im UniversitĂ€ts Klinikum.
Probleme waren klinisch messbar. Gesichtsfeldausfall nachweisbar. Man sah VerĂ€nderung am Sehnerv hinter dem Auge. Viele lernende Ărzte wurden dazu gerufen 'damit sie das auch mal sehen'. Vor mir Diskussion ĂŒber Diagnose: ein Arzt meinte AION, die anderen SehnerventzĂŒndung, denn AION gĂ€be keine Schmerzen bei Bewegung der Augen.
2er setzte sich durch, ignorierte die EinwĂ€nde seiner Kollegen und versicherte mir, seine Diagnose wĂ€re absolut gesichert. AION, garantiert permanenter Verlust der Sehkraft, ich dĂŒrfte nie wieder Auto fahren.
CT scan am selben Tag zeigte als Zufallsbefund eine solide LĂ€sion in der Pinealisregion, wofĂŒr eine Verweisung zur Neurologie.
Verweisung zu anderem Arzt, um sicherzugehen, dass nicht noch mehr Schaden droht durch weitere 'Blutklumpen'.
Dieser Arzt meinte, absolut nichts finden zu können, das diese Diagnose unterstĂŒtzen wĂŒrde. Dahingegen Verdacht auf SehnerventzĂŒndung.
Radiologen sahen auf MRI fokal abweichenden Aspekt des rechten Nervus Opticus dorsal in der orbita und im canalis opticus und eine fĂŒr MS passende LĂ€sion am/beim Hirnstamm und vermuten ebenfalls, wie auch der Neurologe eine SehnerventzĂŒndung. Kontaktaufnahme mit dem 'dominanten' Augenarzt, der aber nicht bereit ist, seine Diagnose zu Ă€ndern. Die genannten Ărzte beziehen ihre jeweiligen Abteilungsleiter bei der Geschichte, die den Abteilungsleiter des Augenarztes anscheinend davon ĂŒberzeugen, in den Brief an meinen HA SehnerventzĂŒndung mit Verdacht auf Demyelinisierung DD AION zu schreiben.
MRI zeigt ebenfalls, dass die LÀsion in der Pinealisregion eine solide Farbe annimmt und somit keine Zyste ist. Keine invasiven Komponenten, wahrscheinlich Pineozytom, DD: Germinom oder PapillÀrer Tumor.
Die AugenĂ€rzte haben die mir gegenĂŒber als offiziell kommuniziert Diagnose nie zurĂŒckgezogen, betonten dass keine der beiden DD bewiesen oder ausgeschlossen werden könnten. 'MRI myelom (?) zeigte keine Abweichungen.
04/2018
Der Neurologe ging davon aus, dass es sich um eine SNE handelte und erklĂ€rte mir die Diagnose CIS und dass ich nicht erschrecken sollte, wenn mein Sehvermögen sich eventuell bei Hitze oder Infektionen vorĂŒbergehend verschlechtern wĂŒrde. Das wĂ€re kein neuer Schaden. Die LĂ€sion am Hirnstamm sah er als ErklĂ€rung fĂŒr neurologische Probleme in meiner Vorgeschichte.
Bei einem nĂ€chsten Termin entschuldigte er sich dafĂŒr, mir jetzt etwas anderes zu sagen als beim letzten Mal. Er habe die internationalen, revidierten Diagnose Richtlinien zu Rate gezogen, die von der NL Neurologen Gesellschaft noch nicht angenommen worden waren und daher hier noch nicht galten. Laut dieser Richtlinien mĂŒsste man bei mir wohl doch schon von MS sprechen: DIS und DIT nachgewiesen durch SNE und die nicht KM aufnehmende LĂ€sion am Hirnstamm. Zur Behandlung verweise er mich an ein anderes Krankenhaus mit MS Spezialisation.
05/2018
Dort zeigte eine Lumbalpunktion keine oligoklonale Banden. Ein erstes GesprÀch ergab: noch nicht MS.
MRI 6 Monate spÀter zeigte keine zusÀtzlichen LÀsionen, die am Hirnstamm war sogar etwas undeutlich geworden. Wegen entsprechender Beschwerden wurde getestet, ob Polyneuropathie vorlÀge, was aber nicht der Fall war. Keinerlei weitere Untersuchungen zum Auge.
01/2019
NĂ€chster Termin war telefonisch im Januar: wahrscheinlich doch nicht CIS, denn im Verweisbrief wĂ€re SNE ja nur als eine mögliche Diagnose genannt. Ich werde zum HA zurĂŒck verwiesen, bei objektivierbaren Beschwerden könnte ich ĂŒber den HA wieder neu als Patientin aufgenommen werden. Eine Phase von mehreren Tagen mit extremen Schmerz Stichen in der unteren rechten GesichtshĂ€lfte, ausgelöst durch kleinste Bewegungen und Ăhnliches wĂ€re alles vage und subjektiv.
Aus diesem Schritt zog ich den SchluĂ, dass sie nicht nur die SNE in Frage stellte, sondern sich auch ergeben haben mĂŒsse, dass die LĂ€sion am Hirnstamm nicht zu MS passen wĂŒrde. Erst vor kurzem bekam ich auf Nachfrage vom HA die Arztbriefe, worin steht, dass auch die Radiologen der MS Spezialklinik die LĂ€sion am Hirnstamm eindeutig fĂŒr Demyelinisation ansehen.
Trotz der EinschĂ€tzung der zweiten Neurologin habe ich den vorĂŒbergehenden Verlust der Sehkraft (nach ca 2 Wochen begann ich wieder besser zu sehen) dennoch stets als SehnerventzĂŒndung angesehen, weil es genau passte zu dem was der andere Neurologe erklĂ€rt hatte, sich aber völlig anders verhielt als die Prognose des einen 'dominanten' Augenarztes. In den folgenden Jahren habe ich mehrere unangenehme Phasen ignoriert (Augen zu und durch, wo möglich viel Ruhe nehmen, nach ein paar Wochen geht es immer wieder besser). Denn es war nach meiner EinschĂ€tzung nicht objektivierbar und MS war ja ausgeschlossen worden, dachte ich.
Vor etwa zwei Monaten hatte ich den Verdacht, dass wieder etwas Ăhnliches wie in 2018 geschah, heftiger als die genannten Phasen.
DemnĂ€chst habe ich einen Termin bei der MS Spezialistin, da mein HA meine EinschĂ€tzung teilte, dass ich neurologische Probleme habe (beispielsweise die heftigen Stiche im Gesicht; GefĂŒhlsstörungen am Bein; wieder schlecht Sehen und extremer Energieverlust bei WĂ€rme...). Ich bin unsicher mit Blick auf das kommende GesprĂ€ch.
Was raten Sie mir?
1. Ist es angebracht, um ein neues MRI zu fragen?
2. Meine vier Kinder (13-22) finden schon lÀnger, dass ich 'dementierte' und verlangen, dass ich das anspreche. Ist es angebracht, um eine 0 Messung meiner Kognition zu bitten? Ich merke selber, dass ich permanent kognitive Probleme habe, die bei Hitze signifikant zunehmen.
3. Ich kann mir das Handeln der MS Ărztin nach LektĂŒre der Briefe ĂŒberhaupt nicht erklĂ€ren, ihr Handeln passt nach meiner EinschĂ€tzung nicht zu den schriftlich festgehaltenen Befunden. Irre ich mich an dem Punkt?
4. Wie können Sie sich die völlig unterschiedlichen Deutungen derselben Befunde durch die beiden Neurologen erklÀren?
5. Haben Sie noch andere RatschlĂ€ge fĂŒr das GesprĂ€ch?
Vielen Dank fĂŒr Ihre Zeit und Geduld
Lumle
Deine Frage beantwortet
Sehr geehrte Lumle,
eine MS ist eine dynamische Erkrankung, d.h. man muss im Verlauf immer wieder neu einen Status erheben. Gerade in dem Anfangsstadium ist es oft nicht einfach, eine MS von anderen Differentialdiagnosen abzugrenzen. Im Einzelfall entscheidet erst der Verlauf, welche Erkrankung vorliegt. Sehr schwierig wird es, wenn zwei unterschiedliche Erkrankungen bestehen, die Ă€hnliche Beschwerden und Befunde machen können. Daher muss man immer wieder in regelmĂ€Ăigen AbstĂ€nden Untersuchen durchfĂŒhren und die Vordiagnosen kritisch prĂŒfen. Dabei ist es im meinen Augen ĂŒberhaupt keine Schande, wenn man zu einem spĂ€teren Zeitpunkt zu einer anderen Diagnose kommt. Jeder kann nur anhand der aktuell vorhandenen Befunde und seiner eigenen Erfahrung eine Diagnose stellen. Zu 1 Ja, zu 2: da im mrt keine multiplen Herde vorliegen erscheint mir keine organische Grundlage fĂŒr eine kognitive Störung vorzuliegen. Zu 3 ? Zu 4: wir schon gesagt, ist es nicht banal, die Befunde einzuordnen. Wir sehen in vielen Bereichen ganz unterschiedliche Bewertungen von Fakten (Impfung, Krieg, âŠ). In der Medizin ist das nicht anders.
Mit freundlichen GrĂŒĂen
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