Primär Progressive MS – Zeitrahmen bis zur Diagnosestellung
Hallo Experten Team,
mir ist bewusst, dass Sie keine Ferndiagnose stellen können, jedoch würde mich interessieren, ob es in seltenen Fällen bei einer primär progressiven MS zu einer zeitlich stark verzögerten Diagnosestellung kommen kann.
Konkret geht es um meine Freundin. Sie ist Mitte 40 und leidet seit einem halben Jahr an einer Sehstörung. Diese begann beidseitig ein paar Wochen nach einer OP (Entfernung Ovarium inklusive einer Zyste). Zuerst sah sie alles verschwommen und nach ein paar Tagen waren „nur“ noch Buchstaben verschwommen. Die Augenklinik konnte allerdings bis auf trockene Augen nichts feststellen. Es wurde aber auch keine ausführliche Untersuchung gemacht. Ich muss dazu sagen, dass sich all das nicht in Deutschland abspielt. Eine VEP Untersuchung wurde erst 3 Monate später gemacht und zeigte keine Auffälligkeiten, obwohl meine Freundin immer noch nicht wieder ihre normale Sehkraft zurück hat und diese auch nicht mit einer Brille ausgleichen kann. Wenn man im Internet recherchiert, stößt man auf die atypische Sehnerventzündung und dass diese gerade nach mehreren Monaten mit einem VEP nicht mehr erkennbar ist. Ist dies korrekt bzw. könnte dies tatsächlich der Fall sein, dass sie eine Sehnerventzündung hatte, dies aber nun nicht mehr feststellbar ist?
Außerdem hat sie Missempfindungen in den Beinen. Sie beschreibt es als Taubheitsgefühl und teilweise auch als Kribbeln, wie tausend Ameisen. Am Anfang war es nur in den Beinen, nun spürt sie es ebenso in den Armen.
Was sie ein wenig beunruhigt ist, dass sie seit Jahren immer wieder auf der rechten Seite ein Taubheitsgefühl hatte, vorallem im rechten Bein. In meiner Gegenwart habe ich außerdem zwei Situationen erlebt, wo sie eine Kaffeetasse einmal aus dem Gehen und einmal beim Abstellen am Tisch einfach fallen ließ. Außerdem gab es eine Situation zu einem späteren Zeitpunkt, wo sie nach einem längeren Spaziergang sichtlich Schwierigkeiten hatte zu laufen. Ich war ernsthaft schockiert, weil sie wie jemand mit einer Gehbehinderung lief. Am nächsten Tag war dies jedoch wieder verschwunden. Zu einem viel späteren Zeitpunkt fiel sie aus dem Stand außerdem einfach nach hinten um.
Die Gesamtsituation ist natürlich extrem belastend. Sie hat Schlafstörungen und ist aufgrund der Unerklärbarkeit der Ursache depressiv. Es wurden inzwischen weitere Untersuchungen gemacht, MRT (allerdings ohne Kontrastmittel), sogar eine Lumbalpunktion und die Messung von der Nervenleitfähigkeit in den Beinen. Es ist alles unauffällig.
Ist es möglich, dass es man eine potentielle primär progressive MS erst zu einem viel späteren Zeitpunkt diagnostisch erkennen kann? Gerade wenn es sich um eine atypische Sehnerventzündung handelte, die leider potentiell nicht rechtzeitig erkannt wurde?
Wie gesagt, mir ist bewusst, dass Sie keine Ferndiagnosen stellen können, aber aufgrund Ihrer Erfahrung, wäre so etwas grundsätzlich denkbar?
Vielen Dank im Voraus!
Laura
Deine Frage beantwortet
Sehr geehrte Laura,
eine VEP-Untersuchung ist ein sehr sensitives Verfahren zur Erkennung von Entzündungen des Sehrnerven, auch wenn diese vor einigen Wochen abgelaufen ist. Wenn diese Untersuchung unauffällig war, ist nicht von einer Retrobulbärneuritis (abgelaufenen Sehnerventzündung) auszugehen. Auch ein gleichzeitig auf beiden Augen beginnender Prozess wäre sehr ungewöhnlich. Auch plötzlich auftretende Symptome, die innerhalb weniger Stunden (innerhalb eines Tages) sich von selbst wieder zurückbilden, spricht gegen eine MS. Eine Abklärung bzgl. einer MS ist erfolgt (MRT, LP, EP´s), so dass es bei der Komplexität der geschilderten Symptome nahezu ausgeschlossen ist, dass eine entzündliche Ursache des zentralen Nervensystems vorliegt. Eine PPMS ahalte ich für nach Ihren Schilderungen für unwahrscheinlich/ausgeschlossen. Vielmehr wäre eine somatoforme Störung (körper bezogene seelische Ursache) im Rahmen einer depressiven Erkrankung eher wahrscheinlich.
Mit freundlichen Grüßen
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