PatientIn „Alex“ | 31. Mai 2021

Liebes „Leben mit MS-Team“,

ich hatte mich Anfang des Jahres schob ein Mal an Sie gewandt. Kurz zum Hintergrund. Ich habe eine Neurofibromatose Typ 1. Im Oktober und November hatte ich hĂ€ufig Kopfschmerzen. Eines Nachts wachte ich mit dem GefĂŒhl von tausenden von Nadelstichen an beiden Armen und HĂ€nden und der Brust auf. Dies hielt bis in den frĂŒhen Morgen an, gingen dann aber schnell zurĂŒck. Deswegen machte ich ein SchĂ€del-MRT (Ausschluss eines Tumors im Rahmen der NF) und ein MRT der HWS (ohne KM).
WÀhrend das MRT der HWS befundfrei war, zeigte sich im SchÀdel eine etwa 8mm durchmessende LÀsion (flau hyperintens) mit punktförmigem KM-Enhancement und umgebender Gliose im rechts parietalen Marklager. Flow Void und TOF-Aniographie waren unauffÀllig und das Myelon zeigte ein regelrechtes Binnensignal. Nun war ich zur Kontrolle und die Morphologie des Befundes ist identisch. Befund des Radiologen lautet: Focal Area of Signal Intensity oder kleine kapillÀre Teleangiektasie.
Beim Neurologen waren alle Tests der Nervenleitbahnen der Hand im Dezember unauffÀllig
Nun nehme ich allerdings seit Januar vermehrt Symptome wahr:
- Schlafstörungen (Januar und Februar waren sie extrem), danach Verbesserung, im April und Mai flammten sie wieder etwas auf und sind nun rĂŒcklĂ€ufig
- Ab und zu (innerhalb eines halben Jahres etwa 5 Mal) episodische Drang-Inkontinenz. Diese hielt immer etwa 1 bis 2 Stunden an (5 ToilettengÀnge in 2 Stunden mit normaler Harnmenge aber ohne ungewollten Abgang). Zudem seit Jahren Reizdarmsyndrom, das sich mit Darmbakterien gut behandeln lÀsst.
- Sehstörungen in Form verstĂ€rkter Mouches Volantes (beim Zukneifen der Augen werden diese sehr dicht und komplex), die manchmal wie Nebelschwaden vor meinen Augen hin- und herziehen sowie verstĂ€rkte Nachbilder beim Blick in Scheinwerfer oder Relektionen (ich bin zudem aber auch Kurzsichtig und habe einen Astogmatismus). Dies gilt v.a. fĂŒr helle LichtverhĂ€ltnisse, in geschlossenen RĂ€umen habe ich kaum Probleme. Die AugenĂ€rztin konnte keine GlaskörpertrĂŒbung oder EntzĂŒndung feststellen (Innendruck normal, kein OCT)
- Neuropathien: vornehmlich sporadisch auftretendes Ameisenlaufen im linken Handballen (dort wĂ€chst gerade ein neues Fibrom -den Zusammenhang lasse ich in der Neurochirurgie abklĂ€ren). Dies ist wellenförmig wie Kriechstrom und schwankt in der IntensitĂ€t stark (tageweise keine Symptome, dann wieder sehr schwach, mal etwas stĂ€rker - zu Beginn im Februar war das Kribbeln ehrlich stĂ€rker). Dauer schwankt zwischen wenigen Sekunden, Minuten und manchmal 2 Stunden. Manchmal treten Kribbeln und Pochen auch in den Fingern und entlang der Lebenslinie auf. Zudem eher selten Kribbeln im rechten Daumen und der Handaußenseite. Im Februar hatte ich ein paar Tage ein ebenfalls wellenartiges Kribbeln im Kinn, in April einmalig ĂŒber der Oberlippe (rechtsseitig). Beides ist wieder verschwunden. Vereinzelt habe ich das GefĂŒhl von Nadelstichen an HĂ€nden und Armen - auch das sehr sporadisch und nicht tĂ€glich und dann auch immer wirklich sehr kurz in Form einzelner Stiche. Im April hatte ich mehre Tage die gleiche Form von Kribbeln im Po, dies kam unvermittelt im Sitzen und ab und zu beim Stehen, bei Bewegung verschwand es. Dieses Symptom ist wieder verschwunden. Seit ein paar Tagen habe ich, ebenfalls sporadisch und in geringer IntensitĂ€t ein Ă€hnliches, wiederkehrendes Kribbeln in der linken Fußsohle. Auch dieses tritt mitunter tageweise gar nicht auf. Sonst keine Schmerzen, Muskelprobleme oder Gang- und Koordinationsschwierigkeiten.
- Muskelzuckungen habe ich immer wieder seit einigen Jahren. Meist am rechten Oberarm, derzeit teilweise am Hals, RĂŒcken oder der Brust. Allerdings nur in sehr kurzen Intervallen (3 bis 5 Kontraktionen, selten mehr) und nicht tĂ€glich und auch nur in Ruhesituationen. Bei Bewegung stoppen diese.
- Weitere Untersuchungen: alle Untersuchungen bei der Aufnahme in die Abteilung fĂŒr seltene Erkrankungen an der CharitĂ© waren ohne Befund (sehr gute Blutdruckwerte, Blutwerte top, Herzecho top, MRT Thorax und Abdomen ohne nennenswerten Befund außer kutanen und subkutanen Fibromen)
- Psyche: Die Kombination der o.g. Symptome, v.a. die vermeintlich „neuen Symptome“ wie das Kribbeln in der Hand, dem Nebelsehen in den letzten Tagen bin ich aus Angst vor MS, v.a. PPMS immer mal wieder in TrĂ€nen ausgebrochen, dann gibt es wieder Tage, an denen ich sicher bin, dass es keine MS ist. Zudem macht mir Sorge, dass die Literatur einen nicht bestĂ€tigten Zusammenhang von NF und MS, v.a. PPMS vermutet - wegen der geringen Fallzahl und schlechten Datenlage aber nicht bestĂ€tigt. Zudem erlebe ich gerade ein starkes Wachstum meiner Fibrome und meine Cortisol-Werte sind erhöht. Die Auseinandersetzung mit meiner sehr spĂ€t diagnostizierten NF war in den letzten Monaten (2 schon lĂ€nger geplante OPs gutartiger Fibrome, die mich Ă€sthetisch störten, 6 MRTs, etliche Arzttermine) sehr anstrengend, da mir erstmals die pot. Entartung der Fibrome bewusst wurde wurde. Die Krankheit war nie sehr PrĂ€sent oder ausgeprĂ€gt bei mir, aber ich erlebe sie derzeit stĂ€rker als zuvor. Auch der Wegfall meines Soziallebens hat mir zwischenzeitlich schwer zugesetzt. Ich habe die Lust an vielen Dingen verloren und extrem viel gearbeitet.
Ich habe demnĂ€chst einen neuen Termin bei, Neurologen, dennoch wĂŒrde mich Ihre Meinung aus der Ferne interessieren. Kann es sich bei den beschriebenen Symptomen in Kombination mit der Hirn-LĂ€sion um eine beginnende PPMS handeln oder sind die EinschĂ€tzungen des Radiologen plausibler? Könnte man auch in einem Thorax-MRT zumindest teilweise LĂ€sionen in der BWS (durch Kontrastmittel etc.) sehen? Sind vielmehr eher psychisch Ursachen und Neuropathien durch die Fibrome denkbar?

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Dr. med. Detlev Schneider
Neurologe|31. Mai 2021

Sehr geehrter Alex,

bei einer MS sind SchĂŒbe definiert als neurologische Defizite, die mindestens 24 Stunden oder meist viel lĂ€nger anhalten und sich langsam wieder bessern oder mit langfristigen Defiziten einhergehen. Weder diese Symptomatik noch eine schleichend progrediente klinische Symptomatik, wie sie bei einer PPMS vorkommt, liegt bei Ihnen vor. Daher ist eine MS nicht vorhanden. Auch die bereits mehrfach erfolgte fachĂ€rztliche Untersuchung und die zahlreichen MRTÂŽs haben eine MS nicht bestĂ€tigt. Ein Zusammenhang mit MS und NF sehe und kenne ich nicht. Bzgl. der Fibromatose sollten Sie das GesrĂ€ch mit Ihrem Neurologen suchen. Die psychische Belastung kann ich nachvollziehen, rate Ihnen allerdings zu einer professionellen Behandlung (psychologische Therapie, Psychotherapie).

Mit freundlichen GrĂŒĂŸen

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