PatientIn „Aster“ | 08. MĂ€rz 2023

Liebes Expertenteam,

zunĂ€chst einmal vielen Dank fĂŒr den Service, den Sie hier anbieten.
Es geht bei mir um Folgendes: Ende Januar habe ich infolge einer SehnerventzĂŒndung die Diagnose MS erhalten. Davor hatte ich eigentlich keine typischen Symptome, bis auf einige Wochen Lhermitte-Zeichen letzten Sommer.
Die SNE wurde stationĂ€r mit 5x Kortison-Infusion behandelt, danach orales Ausschleichen des Kortisons ĂŒber 10 Tage. Das Sehen verschlechterte sich aber auch unter der Therapie weiter, bevor es dann langsam besser wurde, normal ist es allerdings bis heute nicht. Generell fĂŒhlte ich mich extrem schlecht wĂ€hrend der Kortison-Therapie.

Der Grund dafĂŒr könnte (meine eigene Vermutung) die Borreliose sein, die im weiteren Befundprozess entdeckt wurde. Diese wurde dann wiederum mit 21 Tagen Doxycyclin behandelt. Der Befund sagt: könnte eine Neuroborreliose sein. Ich hatte allerdings vorher niemals borreliosetypische Symptome.
Ich habe meine Neurologin dann gefragt, ob meine SehnerventzĂŒndung nicht auch durch die Borrelien verursacht worden sein könnte? Antwort Ärztin: Nein, die LĂ€sionen im SchĂ€del sagen ganz eindeutig MS, Sie haben leider beides. Dazu gab sie die dringende Empfehlung zum schnellen Start mit Kesimpta, weil die MS sehr aktiv sei und weil zusĂ€tzlich noch der Verdacht auf systemischen Lupus im Raum steht (wird noch abgeklĂ€rt). Geplant ist der Beginn der Therapie fĂŒr Ende MĂ€rz.

Mir wĂ€re jetzt einfach wichtig, eindeutig auszuschließen, dass die vorliegende (Neuro?)Borreliose die MS nur ‚nachahmt‘, was meiner Recherche zufolge ja sein kann; und nicht mit einer immunmodulierenden Therapie zu beginnen, die eigentlich kontraindiziert ist. Um die Verwirrung komplett zu machen, sagte mir eine andere Ärztin, die Borreliose-Diagnose sei ja auch oft falsch positiv, das sei mir ja sicher mitgeteilt worden.

MS wurde aufgrund folgender Befunde diagnostiziert:
- multiple, FLAIR-hyperintense LĂ€sionen ohne Schrankenstörung supra- und infratentoriell, exemplarisch rechts hochfrontal juxtakortikal, rechts periventrikulĂ€r, linksseitig im Pons sowie im Myelon, am ehesten entzĂŒndlich. LĂ€sionen sind teilweise recht groß.
- demyelisierende Affektion der Sehbahn rechts
- leichtgradige lymphozytÀre Pleozytose + oligoklonale Banden Typ II (intrathekale Immunglobulinsynthese)
- Liquorzellzahl 7, Fragestellung Liquor: Multiple Sklerose, bestÀtigt
- zeitliche und rÀumliche Dissemination

Die Werte zur Borreliose:
- Borrelien-IgG-ELISA im Serum 190.49 (<22)
- Borrelien-IgM-ELISA im Serum 7.12 (<22)
- Borrelien-IgG-Blot im Serum positiv; außerdem positiv: IgG p100, VIsE, p58, p41, p39, p18
- Borrelien-IgM-Blot im Serum negativ
- Befundkonstellation breites Bandenmuster und hoher quantitativer IgG-Wert bei niedrigem bzw. fehlendem IgM-Nachweis spricht fĂŒr eine chronische Infektion, kann auf Neuroborreliose hindeuten.
- Borrelien-Serologie/Liquor: Borrelien IgG Antikörperindex 0.8 (<1.5): Kein Nachweis einer intrathekalen Synthese von spezifischen Antikörpern gegen Borrelien.

Meine Symptome, abgesehen von der SNE:
- unter Cortisontherapie und unter Antibiose schmerzendes, kribbelndes, ziehendes linkes Bein und linker Arm; extremer Harndrang (Ă  la fĂŒnfmal pro Stunde auf Toilette). Vielleicht Nebenwirkungen der Medis, vielleicht MS?
- nachts vermehrt einschlafende Arme (nach wie vor)
- kurz nach Cortisontherapie zuckender Muskel unter dem Auge, das die SNE hat

Entschuldigen Sie den langen Text, es ist schwierig, das alles knapp darzustellen. Über eine EinschĂ€tzung Ihrerseits wĂŒrde ich mich sehr freuen.

Viele GrĂŒĂŸe

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Carsten Sievers
Neurologe|16. MĂ€rz 2023

Hallo Aster,

das ist ein komplexes Krankheitsbild mit 3 konkurrierenden Diagnosen, die Ă€hnliche Beschwerden und Befunde verursachen können gut zusammengefaßt. Ich werden hier die gewĂŒnschte Differenzierung nicht vornehmen können, da eine scharfe Trennung in diesem Fall aus ihre Informationen nicht möglich ist. Ich vermute, das die MRT aufgrund der Form, Morphologie und Lage der LĂ€sionen, vielleicht auch eine Befundzunahme bei Kontrollen hier den Ausschlag geben und eine akute Borreliose jedenfalls nicht vorliegt (IgM nicht erhöht). Das sie gleichzeitg Korison und ein Antibiotikum erhalten haben, ist die Zuordnung von unerwĂŒnschten Nebenwirkungen nicht sicher möglich. Es gibt verschiedene Kortisone, die individuell bei fraglichen UnvertrĂ€gichkeiten probiert werden können, meist findet sich eins ohne gravierende Nebenwirkungen.

MfG

PatientIn „Aster“ | 08. MĂ€rz 2023

Vielen Dank schon einmal fĂŒr Ihre Antwort. WĂ€re es denn Ihrer EinschĂ€tzung nach angezeigt, dass ich noch einmal eine Zweitmeinung einhole? Bzw. gibt es weitere Untersuchungen außer Lumbalpunktion und MRT, die bei einer Differenzierung helfen könnten? - Eigentlich ist es ja so, dass man im Rahmen der MS-Diagnostik nach Differentialdiagnosen wie z.B. Neuroborreliose schaut, die dann ggf. die Symptome besser erklĂ€ren. Aber in meinem Fall haben die Kollegen ja eindeutig gesagt, es ist beides. Ich kenne mich zu wenig aus, um einschĂ€tzen zu können, ob im Falle der Gleichzeitigkeit beider Befunde dann aus medizinischer Sicht sicher gesagt werden kann: es ist beides oder es ist eben nur eins von beidem (schwer zu erklĂ€ren, sorry).
Vielleicht anders formuliert: An welchen Faktoren kann man bei gleichzeitigem Vorliegen von Borrelien- und MS-Markern feststellen, ob beides vorliegt oder nur eine Erkrankung? Geht das ĂŒberhaupt? Vielen Dank nochmal und VG!

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Carsten Sievers
Neurologe|16. MĂ€rz 2023

Nein, nicht schwer zu erklĂ€ren, aber schwer zu differenzieren. Nach der Antibiose kann man aber davon ausgehen, das eine Borreliose nicht mehr besteht, kann es aber mit Labortests oder dem klinischen Verlauf nicht unmittelbar beweisen. Ähnliches gilt fĂŒr die MS. Da helfen nur Kontrollen im Zeitverlauf. FĂŒr eine MS-Therapieentscheidung nicht gut, aber...

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