Höchstgradig Verdächtiger Befunde, Symptome aber eher "harmlos"?
Sehr geehrte Damen und Herren,
ich bin M, 34 j. alt und habe aufgrund einer Sensibilitätsstörung am Kopf, Gesicht und Mundhöhle links, die sich vor 3 Wochen während einer Sinusitis entwickelt hat, eine Verdachtsdiagnose auf eine Entzündung des Nervus Trigeminus erhalten(auch wenn untypisch schmerzlos), weshalb einen Tag später ein MRT(Kopf) vorgenommen wurde.
Das Ergebnis lautet wie folgt:
Anhand der FLAIR-Sequenz zeigen sich auffällige leukenzephalopathische Herdbefunde, bereits beginnend in der Höhe anteriorer Medulla obiongata rechts, fraglich auch in Höhe posteriores Myelon bei HWK 3 und anterior rechts in gleicher Höhe, sich nach kranial fortsetzend pontin links und angedeutet auch cerebellär links, Punctum maximum jedoch eindeutig supratentoriell priventrikulär, ein Großteil der Herde in typischer ovalärer Konfiguration mit Längsachse in vertriculo-radiärer Anordnung, typischerweise auch Befall des Genu des Balkens links, nach i.v. - KM - Gabe jedoch nur singulär schrankgestörter Herd randständig periventrikulär rechts frontal, alle restlichen Befunde o.g. Befunde lassen keine weitere Schrankenstörung erkennen. Darüber hinaus undauffällige Darstellung von grauer und weißer Substanz supra- und Infratentoriell, orthotopes normalkalibriges Ventrikelsystem, auch die äußeren Liquorräume nicht betont. Winzige Retentionszyte basal im Sinus maxiliaris rechts, resliche NNH und Mastoidzellen zeigen eine unauffällige Pneumatisation. Die ergänzende MRA des Circulus arteriosus Willisii der ACI beidseits,, anhand des Rohdatensatzes hier die Stenosegrad jedoch sicherlich überschätzt, restliche arterielle Gefäßstrukturen unauffällig, keine hämodynamisch relevante Stenose, keine Aneurysmen, keine AV- Malformationen, ebenso kein sicherer Anhalt für eine Vaskulitis.
Beurteilung: Vorliegender Befund ist höchstgradig verdächtig auf eine Enzephalomyelitis disseminata mit singulär schrankgestörter Leukenzephalopathie frontal rechts, Befall auch infratentoriell wie oben beschrieben.
Der nächste Schritt ist nun die Lumbalpunktion, um mehr Klarheit zu schaffen. Ich möchte die Zeit vor dem Termin deshalb mit meiner Frage überbrücken und weil der text für einen laien kaum verständlich ist, wie wahrscheinlich die Diagnose MS anhand des Befundes nun sein kann und ob ein negatives Ergebnis bei der Lumbalpunktion doch noch möglich wäre?
LG
Deine Frage beantwortet
Sehr geehrter Vincent,
so wie ich den Befund lese, besteht der dringende V.a. eine chron. entzündliche ZNS-Erkrankung, wobei am ehesten die MS in Frage kommt. Insbesondere eine umschriebene KM-Aufnahme weißt auf eine zeitliche Dissemination hin, d.h. die Herde haben unterschiedliche Aktivität und entstanden zu unterschiedlichen Zeitpunkten (singulär schrankgestörter Leukenzephalopathie frontal rechts). Eine LP dient zum Ausschluss anderer zentral entzündlicher Erkrankungen (Differentialdiagnosen). In der Regel werden im Liquor allerdings oligoklonale Banden nachgewiesen, die die MS bestätigen. Liegen sie nicht vor, kann man dennoch eine MS diagnostizieren. Die KM-Aufnahme zeigt, dass eine aktive Erkrankung vorliegt. Kurzfristig sollte eine Behandlung und eine medikamentöse Einstellung erfolgen, um zukünftig weiterer Herde zu verhindern. Gut, dass zu diesem frühen Zeitpunkt eine ergänzende MRT gemacht wurde, da Ihr klinischer Befund nicht sehr typisch für eine primäre Manifestation einer MS ist.
Mit freundlichen Grüßen
Sehr geehrter Dr. med. Detlev Schneider,
erst einmal vielen Dank für die schnelle und ausführliche Antwort auf meine Frage, Ihr seid hier ein wahrer Segen für alle mit Bedenken und Ängsten.
Entnehme ich Ihrem Text richtig, dass es sich hier ggf. um eine sekundär progredienter MS oder gar ein klinisch isolierte Syndrom handeln könnte?
Ich habe vor der primär chronisch progrediente Form die größte Angst, da sie für mich am "Schwerwiegendsten" klingt, man darf mich an dieser Stelle aber gern korrigieren.
Mich interessiert außerdem, welche Erkrankungen des ZNV anhand meines MRT-Befundes noch in Frage kommen würden, sollte es nach der Differentialdiagnose doch keine MS sein.
Ganz liebe Grüße und meinen tiefsten Dank, für die wertvolle Beratung und Zeit, die hier investiert wird!
Deine Frage beantwortet
Sehr geehrter Vincent,
habe Ihre Rückfrage jetzt erst gesehen, das bitte ich zu entschuldigen.
Die Unterscheidung einer schleichend progredienten von einer Schubförmigen MS wird klinisch getroffen. Stellt man keine Schübe fest und treten die Ausfälle allmählich statt (ohne Schubereignis, dann handelt es sich um eine PPMS). Allerdings kann auch eine schubförmig Verlaufsform später in eine sekundär chronisch progrediente Form übergehen. Die möglichen Differentialdiagnosen sind sehr umfassend und sind in der Regel entzündlich oder autoimmun bedingt (u.A. Vaskulitis, Sarkoidose, Lues, Borelliose, HIV, ...).
Mit freundlichen Grüßen
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