Seit 01. Januar 2023 sind die Hinzuverdienstbeschränkungen für die Altersrente abgeschafft und für die Erwerbsminderungsrente massiv angehoben worden. Bei voller Erwerbsminderung kannst Du so 17.823,75 €, bei teilweiser sogar 35.647,50 € dazuverdienen. Voraussetzung ist, dass die Beschäftigung oder Selbstständigkeit eine bestimmte Arbeitszeit pro Tag nicht übersteigt: Diese beträgt max. 3 Stunden bei voller Erwerbsminderung bzw. max. 6 Stunden bei teilweiser.
Arbeit und MS
Dank moderner Therapien ist es inzwischen auch mit Multipler Sklerose in den meisten Fällen möglich, weiter am Berufsleben teilzunehmen. Grundvoraussetzungen dafür sind die Diagnose der Erkrankung sowie ein frühzeitiger Behandlungsbeginn.
Aber selbstverständlich bleiben dennoch Sorgen bestehen. Was ist, wenn ich länger ausfalle? Wenn ich meine Arbeitszeit reduzieren muss? Oder, wenn es doch nicht mehr geht? Die wichtigsten Antworten auf diese Fragen findest Du hier.
An wen kannst Du Dich zum Thema Arbeit und MS wenden?
Wie immer gilt: Bei Fragen zur MS ist Dein Arzt Ansprechpartner Nummer 1. Das trifft auch zu, wenn es z. B. um Krankschreibungen geht. Zu allgemeinen Arbeitsthemen hast Du aber verschiedene weitere Anlaufstationen.
Dazu vorab eine Sache: Rechtlich gesehen bist Du nicht verpflichtet, irgendjemandem auf der Arbeit von einer chronischen Erkrankung zu erzählen. Die einzige wirkliche Ausnahme ist, wenn die Beeinträchtigungen, die Du aufgrund der MS hast, Deinen Job massiv beeinflussen und Du auf Hilfsmittel angewiesen bist.
In größeren Unternehmen kann Dich der Betriebsrat oder die Schwerbehindertenvertretung beraten. Hier lässt sich vertraulich über alles Arbeitsrechtliche sprechen. Alternativen wären MS-Beratungszentren oder das Integrationsamt als offizielle Stelle. In manchen Bundesländern heißt dieses auch Inklusionsamt und beschäftigt sich mit den Belangen schwerbehinderter Menschen im Arbeitsleben, berät Dich aber ebenso, wenn Du nicht schwerbehindert bist.
Wenn Du wegen der MS nicht arbeiten kannst – Thema Krankschreibung
Bei einer Krankschreibung erhältst Du weiter vollen Lohn vom Arbeitgeber. Solltest Du länger als 6 Wochen am Stück krankgeschrieben sein, springt bei gesetzlich Versicherten die Krankenkasse ein: Du bekommst Krankengeld. Dieses beträgt 70 % des Bruttolohns, jedoch höchstens 90 % des Nettolohns. Einmalzahlungen wie Weihnachts- oder Urlaubsgeld werden berücksichtigt. Der gesetzliche Höchstbetrag für das Krankengeld liegt bei 116,38 € / Tag (Stand 2023).
Solange Du Krankengeld beziehst, bist Du beitragsfrei krankenversichert und die Krankenkasse übernimmt die Hälfte der Sozialversicherungsbeiträge, also Arbeitslosen-, Pflege- und Rentenversicherung.
Ein paar wichtige Dinge:
- Du musst Krankschreibungen der Krankenkasse gegenüber lückenlos nachweisen. Das bedeutet, dass Dein Arzt Dir bereits am letzten Tag einer Krankschreibung eine neue ausstellen und die Bescheinigung die Krankenkasse rechtzeitig erreichen muss. Manchmal ist dies online möglich.
- Anspruch auf Krankengeld besteht auch, wenn Du Arbeitslosengeld (ALG1) beziehst.
- Innerhalb von drei Jahren erhältst Du maximal 78 Wochen Krankengeld für ein und dieselbe Erkrankung. Gehst Du danach mindestens sechs Monate arbeiten, erneuert sich Dein Anspruch.
- Bist Du nach Ablauf der maximalen Bezugszeit des Krankengeldes nicht arbeitsfähig, kommt es zur Aussteuerung. Deine Krankenkasse informiert Dich rund 2 Monate, bevor dieser Fall eintritt, denn dann endet auch die Pflichtversicherung in der gesetzlichen Krankenversicherung (GKV). Du hast die Möglichkeit, freiwillig in der GKV zu bleiben, wenn möglich in die Familienversicherung zu wechseln oder eine private Krankenversicherung abzuschließen.
- Um in dieser Situation finanziell abgesichert zu sein, kann Arbeitslosengeld beantragt werden. Dafür benötigst Du die Mitteilung der Krankenkasse über die Aussteuerung. Die Arbeitsagentur kann mit Dir zusammen über z. B. Rehamaßnahmen sprechen oder Dich zur Erwerbsminderungsrente beraten.
- In der privaten Krankenversicherung ist Krankengeld nicht automatisch enthalten. Als Privatversicherter benötigst Du den Tarifbaustein „Krankentagegeld“, um Deinen Verdienst abzusichern.
Schwerbehindertenausweis und MS – Auswirkungen auf den Job?
Möglicherweise kann es notwendig werden, über das Thema Schwerbehindertenausweis nachzudenken. Gemäß Neuntem Sozialgesetzbuch steht dieser jeder Person ab einem Behinderungsgrad von 50 % zu. Auf Antrag können aber die damit verbundenen Regelungen bereits ab 30 % Beeinträchtigung geltend gemacht werden.
In Deinem Job schützt Dich der Schwerbehindertenausweis auf spezielle Weise, denn Du erhältst dadurch Kündigungsschutz. Eine Entlassung aufgrund krankheitsbedingter Fehlzeiten und Leistungseinschränkung ist nicht mehr möglich. Dein Arbeitgeber kann das Beschäftigungsverhältnis nur auflösen oder verändern, wenn das Integrations- bzw. Inklusionsamt zustimmt. Weiterhin erhältst Du mit dem Status GdB 50 (Grad der Behinderung 50) Anspruch auf eine Woche Zusatzurlaub und die Option, Deine Arbeitszeit auch vorübergehend zu verkürzen.
Bei allen Vorteilen ist der Ausweis nicht frei von Kritik. Das beginnt schon beim Namen selbst: Immer wieder gibt es Bestrebungen zur Umbenennung. Viele haben Angst vor Stigmatisierung oder davor, ausgegrenzt zu werden. Wie reagieren Vorgesetzte? Habe ich Nachteile, wenn ich als Schwerbehinderter auf Jobsuche gehe? Und was ist im Privaten?
Diese Fragen sind absolut verständlich und Du solltest Dich deswegen nicht schämen. Hol Dir aber Unterstützung. Bei Fragen zum Schwerbehindertenausweis sind erneut Betriebsrat, Schwerbehindertenvertretung oder Inklusionsamt gute Anlaufstellen. Wenn Du mehr Infos zum Thema „Arbeit mit Schwerbehinderung“ möchtest, bietet das Bundesministerium für Arbeit und Soziales einen Ratgeber dazu.
Recht auf Teilhabe am Arbeitsplatz - Hilfsmittel und Umschulung
Um auch mit einer chronischen Erkrankung wie MS weiter am Arbeitsleben teilzunehmen, kann es nötig werden, Deinen Arbeitsplatz umzugestalten bzw. umzurüsten. Dafür gibt es finanzielle Unterstützung sowohl für Dich wie auch Deinen Arbeitgeber. Das sind die sogenannten Leistungen zur Teilhabe am Arbeitsleben (berufliche Rehabilitation).
Gefördert werden Maßnahmen, die MS-bedingte Einschränkungen ausgleichen sollen. Das kann Arbeitsausrüstung sein (größerer Computermonitor oder orthopädische Arbeitssicherheitsschuhe), technische Hilfsmittel (höhenverstellbarer Schreibtisch, Bildschirmlesegerät, etc.) oder aber eine bauliche Maßnahme, sollte z. B. der Zugang zum Gebäude oder die Toiletten nicht barrierefrei sein.
Du selbst kannst diese MaĂźnahmen bei der Deutschen Rentenversicherung bzw. der Agentur fĂĽr Arbeit beantragen. Hilfsmittel, die Du sowohl im Beruf wie auch im Alltag nutzt, mĂĽssen bei der Krankenkasse beantragt werden.
Eine Option kann aber auch der Wechsel des Arbeitsplatzes sein. Du kannst mit Deinem Arbeitgeber Möglichkeiten ausloten, ob sich Deine Tätigkeit anpassen lässt oder ob Du intern wechseln kannst. Zur beruflichen Neuorientierung kann eine Umschulung nützlich sein. Diese wird unter Umständen ebenfalls gefördert. Mehr Infos dazu gibt es bei uns.
Wenn es nur noch begrenzt geht – Thema Erwerbsminderungsrente bei MS
Wenn festgestellt wird, dass Du nicht mehr als drei Stunden pro Tag arbeitsfähig bist, kannst Du Erwerbsminderungsrente beantragen. Ihre Höhe richtet sich danach, wie lange Du in die Rentenversicherung eingezahlt hast und wie viele Jahre Du noch bis zum regulären Rentenalter arbeiten müsstest.
Zuständig ist die Deutsche Rentenversicherung. Nach Genehmigung bekommst Du 6 Monate später die erste Zahlung. Befristet zunächst auf 3 Jahre, denn danach wird festgestellt, ob Du wieder einer Arbeit nachgehen kannst. Dauerhaft erhältst Du Erwerbsminderungsrente nur, wenn es aus Sicht eines Arztes absolut unwahrscheinlich ist, dass sich Dein Gesundheitszustand verbessert.
Stichwort Altersrente: Natürlich hast Du auch Anspruch auf „normale“ Rente, wenn Du die entsprechenden Voraussetzungen erfüllst (Mindestalter und Beitragsjahre). Sollte bei Dir eine Schwerbehinderung festgestellt worden sein, kannst Du Altersrente ohne Abschläge mit 65 Jahren beantragen, mit Abschlägen bereits mit 62. Die Rente verringert sich dann um 0,3 % pro Monat, den Du früher Rente erhältst, maximal aber um 10,8 %.
Auch zum Thema Rente gibt es tolle weiterfĂĽhrende Informationen von offizieller Stelle. Wir empfehlen Dir die BroschĂĽren auf der Webseite der Deutschen Rentenversicherung.
Wie Dich Dein Arbeitsumfeld im Job mit MS unterstĂĽtzen kann
Wir wünschen Dir, dass es nicht nötig sein wird, die hier beschriebenen Sozialleistungen in Anspruch zu nehmen und Du weiter Deinem Beruf, Deiner Aufgabe oder Deiner Passion nachgehen kannst. Etwas, das Dich dabei unterstützen kann, ist der offene Umgang mit der MS. Wie gesagt – Du bist dazu (mit wenigen Ausnahmen) zwar nicht verpflichtet, es kann Dir aber dennoch helfen.
Das beginnt beim Verständnis der Kollegen, solltest Du einmal länger ausfallen, endet dort aber nicht. Flexible Lösungen wie Homeoffice, angepasste Arbeitszeiten oder Veränderung der Aufgabenfelder? All das funktioniert nur, wenn Du Dein berufliches Umfeld für Deine Situation sensibilisierst. Dann finden sich oftmals Wege, die man selbst nicht für möglich gehalten hätte. Das zeigen auch die Erfahrungen, die Ihr mit uns in den Mutmachgeschichten teilt.