âMittlerweile wĂŒrde ich sagen, dass der Verein meine MS-Familie istâ
Von ihrer Lebenslust und quirligen Art hat Britta seit unserem letzten GesprĂ€ch zum GlĂŒck nichts eingebĂŒĂt. Damals ging es um ihren Umgang mit der MS im Privaten und Beruflichen und wie sehr ihr der Austausch mit anderen Betroffenen dabei hilft. Doch die gelernte Gesundheits- und Krankenpflegerin hat noch mehr zu berichten. Unser zweites GesprĂ€ch stand deshalb voll im Zeichen der MS-Therapie: die Therapieentscheidung und wie Britta daran beteiligt war, wie sie die Behandlung in ihren beruflichen und privaten Alltag integriert und vor allem, warum es ihr so wichtig ist, der Therapie auch treu zu bleiben.
âMir war es wichtig, möglichst schnell mit der MS-Therapie anzufangenâ
Was war fĂŒr Dich bei der Therapieentscheidung ausschlaggebend?
Ich wollte nach der Diagnose MS vor allem schnell damit starten, aber es war mir wichtig, dass ich ein relativ normales Leben fĂŒhren kann. Meine Therapie sollte mich nicht mit Nebenwirkungen âerschlagenâ.
Warum war es fĂŒr Dich wichtig, nach der Diagnose schnellstmöglich mit einer wirksamen Therapie zu beginnen?
Allein schon, damit die EntzĂŒndungsherde nicht mehr werden und die Krankheit nicht voranschreitet. Damit es mir weiterhin so gut geht, wie es mir geht. Deshalb habe ich zugesehen, möglichst schnell damit zu starten.
Wie lief der Therapieentscheidungsprozess bei Dir ab und wie warst Du daran beteiligt?
Als man mich nach der Diagnose aus dem Krankenhaus entlassen hat, hatte ich ordentlich viele BroschĂŒren dabei. Die konnte ich mir zu Hause erstmal angucken, bis ich einen Termin bei meiner niedergelassenen Neurologin hatte. Da bekam ich dann gefĂŒhlt nochmal denselben Stapel Papier. Meine Neurologin hat mir dann aber im GesprĂ€ch aufgezeigt, welche Therapie fĂŒr mich in Frage kommen wĂŒrde und mir alles zur Behandlung erklĂ€rt. Das war vor 10 oder 11 Jahren, da gab es noch nicht ganz so viele Möglichkeiten. Ich habe mich letztendlich zusammen mit ihr fĂŒr eine Basistherapie entschieden.
Wie und wo informierst Du Dich aktuell ĂŒber MS und/oder mögliche Therapieoptionen?
Zum einen weiterhin ĂŒber meine Neurologin. Damals nach der Therapieentscheidung habe ich auch viel mit meiner MS-Nurse darĂŒber gesprochen. Von ihr habe ich viele Informationen bekommen. Heute passiert das auch ĂŒber meinen Verein Living MS e.V., denn dort gibt es viele Möglichkeiten zum Austausch. Jeder hat ganz andere, verschiedene Erfahrungen gemacht. Ich selbst habe nur meinen eigenen Weg.
âTherapietreue bei unserer MS-Therapie ist etwas enorm Wichtiges, was wir als Patienten fĂŒr die StabilitĂ€t der MS machen könnenâ
Wie schaffst Du es, die Therapie in Deinen Berufsalltag und Dein Privatleben zu integrieren?
Heute klappt das viel besser als vor 10 oder 11 Jahren. Auch mit 2 Kindern. Jetzt habe ich eine Therapie, mit der ich nicht jeden Tag konfrontiert werde. Nebenwirkungen sind nicht vorhanden oder spĂŒrbar. Daher funktioniert das ganz gut. Ich muss nicht jeden Tag dran denken, wann ich das nĂ€chste Mal meine Medikamente einnehmen muss.
Wie stehst Du zum Begriff AdhÀrenz bzw. Therapietreue?
Der Begriff Therapietreue ist, wie ich finde, ein sehr, sehr wichtiger Punkt bei unserer Erkrankung. Ich habe leider schon viele Patienten kennengelernt, die sagen: âMir gehtâs gut, warum soll ich die Therapie weitermachen? Wenn ich damit aufhöre, dann habâ ich auch keine Nebenwirkungen mehr.â Doch die Frage sollte in so einer Situation immer sein, was passiert, wenn der Patient mit der Therapie aufhört. Ich habe leider schon selbst gesehen, dass es da ganz schnell bergab gehen kann. Mir ist es wichtig, dass nicht nur ich selbst, sondern auch die MS-Betroffenen, die ich kenne, therapietreu bleiben. Damit es uns weiterhin gut geht und wir so weitermachen können wie jetzt.
AuĂerdem möchte ich noch ergĂ€nzen: Ich finde, Therapietreue ist etwas enorm Wichtiges, was wir nicht nur aus medizinischer Sicht, sondern auch fĂŒr uns selbst machen können, damit die MS stabil bleibt.
Wie schaffst Du es, bei Deiner Therapie immer am Ball zu bleiben? Benutzt Du dafĂŒr auch digitale Hilfsmittel?
Zu Beginn meiner aktuellen Therapie habe ich eine App benutzt. Aber man hat dann doch so viele davon auf dem Handy, dass man schnell den Ăberblick verliert. Ich bin deshalb inzwischen eher old school unterwegs. Wenn ich Termine habe oder ein Check-up auf dem Plan steht, mache ich mir immer eine kleine Checkliste und Notizen. So kann ich alle Untersuchungen und Termine nacheinander abhaken und bin beim ArztgesprĂ€ch vorbereitet und habe meine Fragen zur Hand.
âIch wĂ€hle den offenen Umgang mit MS, privat und mit meinem Arztâ
Bist Du Teil einer MS-Community oder engagierst Du Dich in VerbÀnden?
Ich habe vor 8 oder 9 Jahren mit meiner damaligen MS-Nurse einen Verein (Living MS e.V.) gegrĂŒndet, der sich aus einem Stammtisch fĂŒr MS-Betroffene entwickelt hat. Vor der Pandemie haben wir uns einmal im Monat getroffen, dann mussten wir unsere Treffen virtuell abhalten. Heute ist es zum GlĂŒck wieder möglich, dass wir uns persönlich treffen. Das hilft mir, die MS auch immer mal wieder âan meinem Leben teilhabenâ zu lassen. Keiner möchte ja den MS-Stempel auf der Stirn tragen, aber ganz in den Hintergrund möchte man die Krankheit dann trotzdem nicht schieben. Darum finde ich es toll, sich regelmĂ€Ăig mit anderen Betroffenen zu treffen oder in Kontakt zu sein. Mittlerweile wĂŒrde ich sagen, dass mein Verein meine MS-Familie ist.
Was möchtest Du anderen Betroffenen noch mit auf den Weg geben?
Bitte wĂ€hlt den offenen Umgang mit eurer Erkrankung und macht kein Geheimnis daraus. Ich habe echt positive Erfahrungen gemacht. Wenn es euch mal nicht gut geht, mĂŒsst ihr euch nicht rechtfertigen. Wenn ihr krankgeschrieben seid, wird nicht hintenrum getuschelt und GerĂŒchte in die Welt gesetzt. Was mir aber auch wichtig ist oder euch auch sein sollte: Pflegt einen offenen Umgang mit eurem Arzt. Dass man mal was hinterfragt oder nochmal nachfragt, was der Arzt als selbstverstĂ€ndlich sieht. Und vor allem, dass man therapietreu bleibt, auch wenn es einem gut geht. Euch geht es ja gut, weil ihr die Therapie habt, und so soll es auch bleiben.
Danke Britta, fĂŒr dieses erneut tolle GesprĂ€ch und dafĂŒr, dass Du Dich noch einmal unseren Fragen âgestelltâ hast.
DE-NONNI-00488, Stand 06/23