Multiple Sklerose und Abitur in der Tasche. Was nun? Studieren?
Mit MS studieren? Auf jeden Fall! Zwar können die Symptome an sich sowie Arztbesuche, Klinikaufenthalte oder Therapiesitzungen das Studieren erschweren, machen es aber nicht unmöglich. Wichtig ist, dass Du Dir Hilfe suchst, sobald Du vor einem Problem stehst. Manchmal ist es auch erforderlich, kreative Lösungen zu finden, zum Beispiel, wenn das Mitschreiben an einem Tag nicht recht gelingen will. Eine Aufnahme kann dann sehr hilfreich sein. Dies sollte aber vorher mit dem Professor oder anderen Referenten geklärt werden, denn nicht jeder wird gerne aufgenommen. Kreativ zu denken, hilft Dir nicht nur im Studium. Auch im Job kannst Du diese Fähigkeit später gut nutzen.
Studium und Arbeiten mit MS – Die Wahl des richtigen Studiengangs
Bevor Du ein Studium antrittst, solltest Du überlegen, welche Vor- und Nachteile der später anvisierte Job mit sich bringen könnte. Berufe, in denen man körperlich sehr gefordert ist oder für die man viel verreisen muss, können sehr anstrengend sein. Wichtig ist, dass Du vor allem Spaß an dem hast, was Du machst bzw. nach einem Studium machen möchtest. Solltest Du mehrere Interessen haben und Dich nicht auf einen Studiengang festlegen können, kannst Du auf whatchado - ein Portal, das Jugendliche bei der Jobsuche unterstützt – herausfinden, welcher Beruf am ehesten zu Deinen Vorstellungen passt. Freunde und Bekannte, die studiert haben, können Dir sicher ebenfalls einen Rat geben. Manchmal hilft es auch, ein Praktikum zu absolvieren oder eine Jobmesse zu besuchen, um herauszufinden, ob ein Berufsfeld das Richtige für dich ist. Wann und wo in diesem Jahr noch eine Jobmesse für Akademiker stattfindet, erfährst Du z. B. bei Jobbörsen wie Jobvector, Uniwunder und academics oder auch auf Social Media Seiten wie LinkedIn und Xing.
Worauf es beim Studienort ankommt
Statte den Universitäten/Hochschulen Deiner Wahl einen Besuch ab, bevor Du Dich bewirbst. Verschaffe Dir einen Eindruck von den örtlichen Gegebenheiten. Ist der Campus überschaubar und kannst Du Dich gut auf dem Unigelände bewegen? Sind die Gebäude barrierefrei? Benötigst Du einen PC-Arbeitsplatz für Sehbehinderte? Und wie steht es um das Angebot für Dich in Frage kommender Wohnungen? Diese und ähnliche Punkte kannst Du vor Ort am besten klären.
Bafög, Stipendium und Co – Welche finanzielle Unterstützung bei MS steht mir zu?
Wie alle anderen Studierenden kannst Du für Deine Studienzeit BAföG beantragen. Gut zu wissen ist, dass bei chronischen Erkrankungen eine Förderung auch über die Förderungshöchstdauer sowie über die Altersgrenzen von 30 und 35 Jahren hinaus möglich ist.
Neben dem BAföG gibt es noch die Möglichkeit eines Stipendiums. Dieses wird in der Regel von Stiftungen vergeben. Die Georg-Leffers-Stiftung sowie die Anni-und-Keyvan-Dahesch-Stiftung unterstützen Menschen mit Behinderungen. Die Heinz-und-Mia-Krone-Stiftung fördert fördert Menschen, die durch eine Erkrankung dauerhaft auf den Rollstuhl angewiesen sind. Und die Aenne-Speck-Stiftung hat sich auf die Förderung von Menschen mit MS spezialisiert.
Um im Studienalltag genug Geld im Portemonnaie zu haben, kannst Du es durch weitere Förderungen entlasten. So gibt es z. B. Zuschüsse für technische Hilfsmittel, für bedarfsgerechte Arbeitsmittel und zu Fahrtkosten. Diese Förderungen kannst Du an Deiner Hochschule und dem zuständigen Studentenwerk beantragen.
Unterbrechungen aufgrund Deines Gesundheitszustandes
Verschlechtert sich Dein Zustand, sodass Du erst einmal Deine Lehrveranstaltungen sausen lassen musst, kannst Du als MS-Betroffener ein Urlaubssemester einlegen. Dafür benötigst Du eine offizielle Beurlaubung durch die Uni. Einen Antrag hierfür findest Du auf der Website Deiner Hochschule. Sollte es Dir nach dem ersten Urlaubssemester noch nicht besser gehen, ist es bei einigen Universitäten möglich, ein weiteres Urlaubssemester zu beantragen.
Um Deine Studien- und Prüfungsleistungen erfüllen zu können, darfst Du auch sogenannte Nachteilsausgleiche stellen. So ist es Dir beispielsweise möglich, die Bearbeitungszeit bei zeitabhängigen Studien- und Prüfungsleistungen (zum Beispiel Klausuren, Haus- und Abschlussarbeiten) zu verlängern oder eine Prüfungsleistung in mehrere Teilleistungen aufzuteilen. Hier erfährst Du, welche Formulare Du für einen Antrag brauchst und warum eine individuelle Beratung zum Thema wichtig ist.
Keine Angst vor der Bewerbung
Die erste Frage, wenn man sich mit der Zukunft nach der Schulausbildung beschäftigt, ist meistens „Was genau will ich im Berufsleben später eigentlich machen? Soll es eine Ausbildung, ein Studium oder was ganz anderes wie z. B. ein Freiwilliges soziales Jahr sein?“
Im Studienjahr 2021/2022 haben rund 470.000 Menschen in Deutschland diese Frage für sich mit „Studium“ beantwortet und haben sich an einer Hochschule eingeschrieben. Für MS-Betroffene hat der Weg des Studiums meist einen ganz großen Vorteil. Die Karriererichtungen, die man auf diesem Bildungsweg betritt, sind in vielen Fällen wenig körperlich anstrengend.
Aber wie genau kommt man an einen Studienplatz?
Seit 2005 haben die Universitäten selbst ein größeres Mitspracherecht bei der Studienplatzvergabe. Dadurch hat die Zahl der Studiengänge, für die man sich direkt an der gewünschten Hochschule bewerben kann oder muss, deutlich zugenommen. Aber es gibt auch weiterhin ein zentrales Vergabeverfahren, an dem viele Hochschulen weiterhin teilnehmen: Das Dialogorientierte Serviceverfahren (DoSV). In der Regel betrifft dieses Verfahren zulassungsbeschränkte Studiengänge, es werden aber auch zulassungsfreie Studiengänge darüber angeboten. Welche Studiengänge genau das sind, variiert von Semester zu Semester und obliegt der Entscheidung der jeweiligen Hochschule. Ausnahme sind dabei die bundesweit zulassungsbeschränkten Studiengänge Humanmedizin, Tiermedizin (nur zum Wintersemester), Zahnmedizin und Pharmazie, die ausschließlich über das DoSV vergeben werden.
Das Verfahren ist in 3 Phasen unterteilt:
1. Phase: Bewerbungsphase
Hier geht es um die eigentliche Bewerbung für Deinen Studiengang. Während dieser Phase stellen die Hochschulen auch ihr Studienangebot vor und geben bekannt ab wann das Angebot vollständig ist, d. h. ab wann Bewerbungen möglich sind. Studieninteressierte können sich auf bis zu 12 Studienangebote bewerben.
2. Phase: Koordinierungsphase
Innerhalb dieser Phase entscheiden die Hochschulen ĂĽber die Zulassungsangebote. Das geschieht anhand von Ranglisten, die alle Bewerber und die aktuellen Kriterien, wie z. B. die Abiturnote, umfassen und entsprechend in eine Reihenfolge bringen. Da die Vergabekriterien von den Hochschulen selbst festgelegt werden, empfiehlt sich, dass Du Dich vorher auf der Webseite Deiner Wunschhochschule ĂĽber diese informierst.
3. Phase: Koordiniertes NachrĂĽcken
Da die Ranglisten unterschiedlich schnell erstellt und eingereicht werden, kann sich das Nachrückverfahren bis zu mehreren Wochen hinziehen. Anhand der bereits vorhandenen Ranglisten rücken Bewerber dann entsprechen nach „vorne“, bis alle zur Verfügung stehenden Plätze vergeben oder keine Bewerber mehr vorhanden sind. Wenn der letztere Fall eintritt, werden die verfügbaren Plätze unter Bewerbern verlost, die sich während dieser Phase neu beworben haben.
Der Vorteil dieses Verfahrens ist, dass Du so die Möglichkeit hast Dich mit einer Anmeldung über eine Plattform für mehrere Studiengänge und Hochschulen gleichzeitig zu bewerben. Da aber nicht alle Hochschulen in Deutschland bei diesem Verfahren mitmachen, ausgenommen natürlich die Studienfächer, die der zentralen Vergabe unterliegen, lohnt sich auch der Blick auf die Webseite Deiner Wunsch-Hochschule, ob es dort Möglichkeiten einer direkten Bewerbung gibt.
Für chronisch kranke Studierende gibt es Sonderregelungen, die der Gleichstellung dienen. Die Rahmenbedingungen dafür wurden bereits 2002 mit dem Behindertengleichstellungsgesetz gesetzt und 2016 mit dem Gesetz zur Weiterentwicklung des Behindertengleichstellungsrechts ausgebaut. Darunter fallen Regelungen, die die Hochschulen im Zuge des Hochschulrahmengesetzes sich um die Belange, wie z. B. die Barrierefreiheit, dieser Studierenden zu kümmern. Dafür gibt es an vielen Hochschulen Berater, die Studierende mit Behinderung oder chronischen Erkrankungen u. a. auch in Fragen des Hochschulzulassung, Finanzierung und Studienorganisation begleiten. Das Deutsche Studentenwerk bietet hier ein Verzeichnis aller Berater, die an Hochschulen in Deutschland tätig sind. Außerdem gibt es noch die sogenannten Studienassistenzen. Dabei handelt es sich in der Regel um Kommilitonen aus demselben oder einem höheren Semester, die Dir bei Dingen helfen, die im Studienalltag notwendig werden, zum Beispiel bei der Vor- und Nachbereitung des Unterrichts.
Wie Du siehst, ist es dir auch mit Deiner MS-Erkrankung möglich zu studieren und deine Lebensvorstellungen zu verwirklichen. In diesem Sinne: Go study – Go for life!
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