Inzwischen konnte jedem Bundesbürger ein Impfangebot gegen das Coronavirus gemacht werden. Doch während viele Menschen bereits geimpft sind, gibt es derzeit noch einige, die verunsichert sind. Dies gilt insbesondere für Menschen mit einer Vorerkrankung – wie beispielsweise Patienten mit Multipler Sklerose. Betroffene stellen sich eine ganze Reihe von Fragen:

Sollte ich mich gegen Corona impfen lassen? Ist das sicher, und spielt es fĂĽr die Wirksamkeit der Impfung eine Rolle, welche Therapie ich erhalte? Kann die Impfung zum Beispiel bei einer Immuntherapie eine ausreichende Wirkung entfalten? Aus aktuellem Anlass fragen sich auch viele, ob eine dritte Impfung zur Auffrischung notwendig ist.

Sollten sich MS-Patienten gegen COVID-19 impfen lassen?

Dazu gibt es unter anderem aktuelle Stellungnahmen der Deutschen Multiple Sklerose Gesellschaft (DMSG) sowie des Krankheitsbezogenen Kompetenznetzes Multiple Sklerose (KKNMS). Demnach gelten derzeit die folgenden Empfehlungen:

  • Menschen mit Multiple Sklerose sollten sich an die allgemeinen Empfehlungen der Ständigen Impfkommission (STIKO) des Robert-Koch-Instituts (RKI) halten und sich gegen Krankheiten immunisieren lassen, fĂĽr die eine Impfung im Erwachsenenalter vorgesehen ist. Das gilt auch fĂĽr COVID-19.
  • Bisher liegen aus den Zulassungsstudien der COVID-19-Impfstoffe noch keine Daten zu einem möglichen Einsatz bei Personen mit Autoimmunerkrankungen und/oder immunmodulierenden/-supprimierenden Therapien vor.

Aktuelle Einschätzungen zur Corona-Schutzimpfung beruhen hierzulande auf dem allgemeinen Wissen über die Wirkmechanismen der MS-Therapien, sowie über die Wirksamkeit von Impfstoffen bei Multiple Sklerose.

Allerdings: Nach Angaben der DMSG zeigen erste Erfahrungen aus Israel keine bislang unerwarteten Nebenwirkungen nach einer Corona-Schutzimpfung. Zudem gibt es keine Hinweise auf eine durch die Impfung ausgelöste Aktivierung der Multiple Sklerose. Diese Erkenntnisse stützen sich auf Impfungen von 500 MS-Patienten, die den mRNA-Impfstoff von BioNTech/Pfizer erhalten haben. Ebenso zeigte eine Impfung von 300 MS-Patienten in England keine besonderen Auffälligkeiten bezüglich der Verträglichkeit. Die britischen Patienten wurden mit dem Vektor-Impfstoff von AstraZeneca geimpft.

Warum wird MS-Patienten die Corona-Schutzimpfung empfohlen?

Das Hauptziel der Impfkampagne war und ist es, schwere Verläufe der Coronainfektion zu verhindern. Eine Impfung kann sowohl Dich als auch andere davor schützen. Auch nach einer mild verlaufenden Infektion mit dem Coronavirus können langanhaltende Symptome (Long Covid) auftreten, die Dich sowohl körperlich als auch mental beeinträchtigen können. Dazu gehören zum Beispiel Geschmacksstörungen und – für MS-Erkrankte besonders belastend – chronische Müdigkeit, Fatigue und Depressionen. Eine Impfung kann das Risiko für derartige Komplikationen verringern. Die Befürchtungen einiger MS-Erkrankter, dass eine Corona-Schutzimpfung Schübe auslöst oder sich auf das Voranschreiten der MS auswirkt, konnte bislang nicht bestätigt werden. Experten schätzen die Risiken hier aktuell als extrem gering ein.

Wie wirksam ist die Corona-Schutzimpfung?

Die Wirkung der Corona-Schutzimpfung ist gut belegt. In erster Linie soll eine Impfung schwere Verläufe der Coronainfektion verhindern. Die Schutzwirkung der COVID-19-Impfstoffe ist in dieser Hinsicht sehr hoch. Allerdings gibt es Hinweise darauf, dass die Art der Therapie sich auf die Wirksamkeit auswirken kann.

Ist die Corona Schutzimpfung unter jeder Therapie gleich wirksam?

Die Frage, ob die Corona-Schutzimpfung unter jeder Therapie gleich wirksam ist, wird aktuell in der Wissenschaft anhand vieler neuer Daten diskutiert. In einer im April veröffentlichen israelischen Studie konnte beispielsweise nachgewiesen werden, dass sich das Ausmaß der Antikörperbildung (Immunantwort) nach der Corona-Impfung unter verschiedenen MS-Therapien unterscheiden kann. Die Anzahl der Antikörper, die nach einer Impfung festgestellt werden, kann Auskunft über den Impfschutz geben. Die Daten beziehen sich auf den mRNA-Impfstoff Biontech/Pfizer. Wenn Du eine Immuntherapie erhältst, sprich am besten mit Deinem Arzt für eine individuelle Einschätzung.

Weitere Informationen zur Corona-Impfung unter MS-Therapie, die regelmäßig aktualisiert werden, findest Du auf der Seite der DMSG.

Ich bin bereits durchgeimpft. Muss ich mich zur Auffrischung ein drittes Mal impfen lassen?

Bereits im August hatten sich die DMSG und das KKNMS in einer gemeinsamen Stellungnahme dazu geäußert und darauf hingewiesen, dass MS-Patienten deren Immuntherapie die Impfantwort beeinträchtigt, über eine dritte Impfung gegen COVID-19 mit einem mRNA-Impfstoff nachdenken sollten. Seit Ende September gibt es nun auch eine offizielle Empfehlung der STIKO:

Demnach sollte Personen eine dritte Impfung mit einem mRNA-Impfstoff zur Auffrischung angeboten werden, bei denen nach einer vollständigen Impfserie möglicherweise keine ausreichende oder eine schnell nachlassende Immunantwort vorliegt.

Das gilt insbesondere fĂĽr:

  • Bewohnerinnen und Bewohner in Pflegeeinrichtungen, in Einrichtungen fĂĽr Menschen mit Behinderungen und in weiteren Einrichtungen, in denen Personen mit erhöhtem Risiko leben.
  • Personen mit einer Immunschwäche oder Immunsuppression (Immundeffizienz). Darunter zählen zum Beispiel Menschen mit MS ohne Therapie oder mit stark suppremierender Therapie. Sprich am besten mit Deinem Arzt, ob Deine Therpie darunter fällt.
  • pflegebedĂĽrftige Menschen
  • Menschen ab 80 Jahren

AuĂźerdem sollte folgenden Personen eine Auffrischung angeboten werden:

  • Beschäftigten in Einrichtungen mit gefährdeten Gruppen
  • Personen, die aufgrund ihrer Berufstätigkeit ein besonders hohes Risiko haben, sich mit SARS-CoV-2 anzustecken
  • Personen ab 60 Jahren (nach individueller Abwägung, ärztlicher Beratung und Entscheidung)
  • Personen, die eine vollständige Impfserie mit einem Vektor-Impfstoff (AstraZeneca, Johnson&Johnson) erhalten haben.

Wann sollte eine Auffrischungsimpfungen bei Immunschwäche erfolgen?

Die STIKO empfiehlt, dass Menschen mit einer Immunschwäche sechs Monate nach einer vollständigen Impfserie eine Auffrischung angeboten wird. Bei schwerer Immundefizienz, bei der eine stark verminderte Immunantwort erwartet wird, kann die dritte Impfung bereits vier Wochen nach der zweiten Impfung erfolgen.

Auch hier gilt: Wenn Du eine Immuntherapie erhältst, sprich am besten mit Deinem Arzt für eine individuelle Einschätzung.

Coronavirus: Das solltest Du noch wissen

In den folgenen Absätzen findest Du weitere Hintergrundinformationen rund um die Impfung und das Coronavirus sowie weiterführende Links.

Welche Impfstoffe sind gegen das Coronavirus zugelassen?

Aktuell werden mehrere mögliche Impfstoff-Kandidaten erforscht. Einige davon sind bereits zugelassen. Sie alle basieren auf einem Grundprinzip: Sie zeigen dem Immunsystem Teile (Antigene) des Erregers SARS-CoV-2, so dass ein Immunschutz aufgebaut werden kann, ohne eine Erkrankung auszulösen. Aktuell in Deutschland zugelassen sind

  • zwei mRNA-Impfstoffe (von BioNTech/Pfizer und Moderna)
  • zwei Vektor-Impfstoffe (von AstraZeneca und Johnson & Johnson)

Weitere, laufend aktualisierte Informationen zu den zugelassenen Impfstoffen gegen das Coronavirus findest Du hier.

mRNA-Impfstoffe und Vektor-Impfstoffe: Was ist der Unterschied?

mRNA-Impfstoffe enthalten in Form von Boten-RNA (messenger RNA, mRNA) den Bauplan von einem bestimmten Teil des Erregers, dem sogenannten Spike-Protein. Durch die Impfung gelangt die mRNA in die menschlichen Körperzellen. Dort wird dieser Bauplan abgelesen, was dazu führt, dass die Körperzellen selbst das Spike-Protein herstellen. Diese Spike-Proteine werden daraufhin vom Immunsystem als fremd erkannt, was die gewünschte schützende Immunantwort auslöst.


Mehr Infos zu mRNA-Impfstoffen findest Du hier.


Vektorbasierte Impfstoffe nutzen für die Impfung sogenannte Trägerviren (Vektoren). Diese sind harmlos, da sie sich nicht im Körper vermehren können. Diese Trägerviren tragen in sich den Bauplan (in Form eines DNA-Abschnittes) für das Spike-Protein von SARS-CoV-2. Nach der Impfung gelangen die Trägerviren in die Körperzellen. Diese lesen die Erbinformation ab und produzieren selbst Spike-Proteine. Zellen des Immunsystems erkennen die Spikes als fremd, die gewünschte schützende Immunantwort ist die Folge.


Mehr Infos zu vektorbasierten Impfstoffen findest Du hier.

Sind bestimmte Corona-Impfstoffe fĂĽr MS-Patienten besser geeignet als andere?

Die DMSG empfiehlt aktuell die Corona-Schutzimpfung für MS-Erkrankte mit allen in der EU zugelassenen COVID-19-Impfstoffen mit Verweis auf die Einhaltung der nationalen Empfehlungen der Ständigen Impfkommission (STIKO).

Allerdings: Stehen beim Impftermin verschiedene Impfstoffe zur Verfügung, rät die DMSG derzeit eher dazu, bei MS-Erkrankten die mRNA-basierten Impfstoffe zu verwenden. Dabei handelt es sich um eine vorläufige Einschätzung, die noch nicht durch ausreichende Daten gestützt ist.

MS und das Coronavirus

Wie wirkt sich Multiple Sklerose auf das Risiko aus, sich mit dem Coronavirus (SARS-CoV-2) zu infizieren? Welchen Einfluss hat meine MS-Therapie auf mein persönliches Erkrankungsrisiko? Und haben Menschen mit MS ein erhöhtes Risiko für komplizierte Verläufe oder eine erhöhte Sterblichkeit?


Generell weiß man bisher: MS-Patienten haben nicht automatisch ein erhöhtes Erkrankungsrisiko oder einen schweren Verlauf einer COVID-19-Erkrankung zu befürchten.


Aber: MS-Erkrankte, bei denen das Immunsystem aufgrund einer immunsuppressiven Therapie, auch wenn diese länger zurückliegt, geschwächt ist, könnten theoretisch ein erhöhtes Risiko für einen schweren Verlauf haben.



MS in Zeiten von Corona. Was heiĂźt das fĂĽr Dich?

Impfung bei MS: Was ist generell zu beachten?

Die Diagnose Multiple Sklerose spricht prinzipiell nicht dagegen, sich gegen Infektionskrankheiten impfen zu lassen. Im Gegenteil: Ein möglichst guter Impfschutz ist insbesondere für Menschen mit chronischen Erkrankungen generell sehr wichtig. Denn Infektionen können schwerwiegende Erkrankungen verursachen, und speziell bei MS-Betroffenen Schübe auslösen und zur Krankheitsverschlechterung beitragen.

Wann ist der richtige Zeitpunkt?

Wichtig: Eine Impfung sollte zu einem Zeitpunkt erfolgen, an dem Du keinerlei Symptome eines Infekts, zum Beispiel einer Erkältung, verspürst. Dies gilt auch für die Impfung gegen das Coronavirus. Ob es darüber hinaus – beispielsweise aufgrund der Wirkweise Deiner MS-Therapie – für den richtigen Zeitpunkt der Impfung noch etwas zu beachten gilt, kann Dir Dein behandelnder Arzt sagen.

Weitere Informationen zum geeigneten Impfzeitpunkt, zum Beispiel ob eine Impfung bei einer laufenden Cortison-Therapie möglich ist oder ob nach der letzten Medikamentengabe bis zur Durchführung der Corona-Schutzimpfung ein zeitlicher Abstand eingehalten werden muss, findest Du auf der Website des DMSG.

Sind die Impfstoffe gegen COVID-19 sicher?

Normalerweise dauert es bis zu 20 Jahre, bis ein Impfstoff entwickelt und in der EU beziehungsweise in Deutschland zugelassen wird. Deshalb sind viele Menschen besorgt, dass im Fall von COVID-19 die schnelle Entwicklung und Zulassung auf Kosten der Sicherheit geht. Dies ist jedoch nicht der Fall:

  • Wie bei jeder Impfstoffentwicklung gelten auch fĂĽr die Zulassung der Corona-Impfstoffe nationale und internationale Qualitätsstandards. Der Impfstoff muss ein klinisches Studienprogramm aus drei Phasen bestehen. Erst danach erhält er eine Marktzulassung in Deutschland.
  • Dass die Entwicklung im Zuge der Pandemiebekämpfung so schnell ermöglicht werden konnte wie noch nie zuvor, liegt unter anderem an neuen Technologien, die den Entwicklern zur VerfĂĽgung stehen. Die Wissenschaftler profitieren auĂźerdem von Vorerfahrungen mit Impfstoffprojekten gegen verwandte Viren (zum Beispiel MERS-CoV).
  • Die rasche Zulassung wurde ermöglicht durch eine noch engere Zusammenarbeit aller beteiligten Instanzen, wodurch Prozesse effizienter gestaltet werden konnten – und das ohne Abstriche bei der Sorgfalt.

Welche Nebenwirkungen können nach der Corona-Schutzimpfung auftreten?

Impfreaktionen können bei jeder Impfung auftreten, so auch bei einer Immunisierung gegen COVID-19. Sie zeigen sich in der Regel kurz nach der Impfung und klingen nach einigen Tagen wieder ab.

  • Am häufigsten wurde bei den bisher zugelassenen Impfstoffen Schmerzen an der Einstichstelle beobachtet.
  • DarĂĽber hinaus kam es zu Symptomen wie Erschöpfung, Kopf- und Muskelschmerzen.
  • Vereinzelte Nebenwirkungen waren unter anderem Schulterschmerzen und Schwellungen der Lymphknoten in der Achselhöhle.

In den Zulassungsstudien gab es keinerlei als schwerwiegend beurteilte Nebenwirkungen. Anhand der aktuellen Datenlage zu den zugelassen mRNA-Impfstoffen ist bislang nicht davon auszugehen, dass potenzielle Nebenwirkungen bei MS-Betroffenen gehäuft auftreten werden.

Weitere Informationen zu Impfreaktionen und Nebenwirkungen findest Du hier.


DE-NONNI-00417, (02/2023)