Was bedeutet pflegebedürftig?

Der Begriff der Pflegebedürftigkeit ist hierzulande klar definiert: Pflegebedürftig im Sinne des Gesetzes sind Menschen, „die gesundheitlich bedingte Beeinträchtigungen der Selbständigkeit oder der Fähigkeiten aufweisen und deshalb der Hilfe durch andere bedürfen".

Die betroffenen Personen leiden unter körperlichen, kognitiven oder psychischen Beeinträchtigungen oder sind gesundheitlich bedingten Belastungen oder Anforderungen ausgesetzt, die sie nicht selbständig kompensieren oder bewältigen können. Ihre Pflegebedürftigkeit muss zudem auf Dauer und dabei voraussichtlich für mindestens sechs Monate bestehen.

Was sind Pflegegrade?

Insgesamt gibt es fünf Pflegegrade, die sich nach der Schwere der Beeinträchtigungen richten. Sie reichen

  • von geringen Einschränkungen der Selbstständigkeit oder der Fähigkeiten (Pflegegrad 1),

bis hin zu

  • schwersten Beeinträchtigungen der Selbstständigkeit oder der Fähigkeiten, die mit besonderen Anforderungen an die pflegerische Versorgung einhergehen (Pflegegrad 5)

Ab Pflegegrad 2 stehen Dir Pflegegeld oder Pflegesachleistungen in unterschiedlicher Höhe zu. Diese können auch kombiniert werden. Hinzu kommt in allen Pflegegraden der Anspruch von 125 Euro „Entlastungsbetrag“ pro Monat. Damit können zum Beispiel Kurzzeitpflege sowie Tages- und Nachtpflege mitfinanziert werden.

Welchem Zweck dient das Pflegegeld?

Das Pflegegeld soll Dir dabei helfen, Deine Versorgung zuhause sicherzustellen. Über die Verwendung des Pflegegelds, das ab Pflegegrad 2 ausgezahlt wird, kannst Du als Pflegebedürftiger frei verfügen. Es wird jedoch häufig als Anerkennung an pflegende Angehörige weitergegeben. Gut zu wissen: Über 90 Prozent der pflegebedürftigen MS-Patienten in Deutschland werden von Familienangehörigen betreut.

Was sind Pflegesachleistungen?

Wenn Du einen Pflegegrad von 2 oder höher hast und ein ambulanter Pflegedienst zu dir kommt, um dich zu unterstützen, zahlt die Pflegekasse für sogenannte ambulante Pflegesachleistungen. Je nach Pflegegrad gilt ein jeweils anderer Höchstsatz (siehe Tabelle).

Diese Mittel können zum Beispiel für jemanden genutzt werden, der Deine Bewegungsfähigkeit fördert, Dich zu Terminen fährt oder Dir bei Injektionen hilft. Auch Hilfen bei der Haushaltsführung, zum Beispiel Kochen oder Reinigen der Wohnung, zählen zu den ambulanten Pflegesachleistungen. Diese Leistungen sollen Dir helfen, auch als Pflegebedürftiger weiter in deiner vertrauten Umgebung zu leben.

Ambulante oder stationäre Pflege?

Anspruch auf Pflegegeld und Pflegesachleistungen hast Du nur, wenn Du als Pflegebedürftiger zuhause gepflegt wirst. Falls Du Dich für eine dauerhafte vollstationäre Unterbringung in einem Pflegeheim entscheidest, zahlt die Pflegeversicherung Zuschüsse in Form von „pauschalen Leistungen für pflegebedingte Aufwendungen“.

Bei Pflegegrad 3 sind dies beispielweise 1.262 Euro pro Monat, bei Pflegegrad 4 sind es 1.775 Euro. In vielen Fällen reicht die Leistung der Pflegeversicherung allerdings nicht aus, um die pflegebedingten Aufwendungen abzudecken. Dann müssen Pflegebedürftige einen Eigenanteil zahlen.

Wichtig: Die Zuzahlung richtet sich seit 2017 nicht mehr nach dem Pflegegrad. Das heißt, Patienten im Pflegegrad 5 zahlen für die Pflege in einer vollstationären Einrichtung genauso viel zu wie Betroffene im Pflegegrad 2. Dieser sogenannte einrichtungseinheitliche Eigenanteil (EEE) unterscheidet sich nur noch von Einrichtung zu Einrichtung. Außerdem zahlen die Pflegebedürftigen die Kosten für vollstationäre Unterbringung und Verpflegung. Auch besondere Komfort- oder Zusatzleistungen müssen privat bezahlt werden.

Tabelle Pflege

+ Entlastungsbeitrag in Höhe von 125 € p. M. in allen Pflegraden

Stand: 07/2020

Wie bekommt man einen Pflegegrad?

Den Antrag auf Leistungen der Pflegeversicherung kannst Du bei Deiner Pflegekasse stellen. Die Pflegekasse ist bei Deiner Krankenkasse angesiedelt. Beide haben die gleichen Kontaktdaten. Du musst in Deinen Schreiben nur vermerken, dass sie an die Pflegekasse gerichtet sind. Privatversicherte wenden sich an ihre Versicherung. Auch Angehörige oder Freunde können den Antrag für Dich stellen, wenn Du sie bevollmächtigst.

Die Pflegekasse beauftragt dann den Medizinischen Dienst der Krankenversicherung (MDK) oder einen unabhängigen Gutachter. Dieser stellt fest, wie selbstständig Du deinen Alltag zuhause noch bewältigen kannst – und bei welchen Aufgaben du Hilfe benötigst. Auf dieser Grundlage ermittelt er den Grad der Pflegebedürftigkeit.

Welche Kriterien werden begutachtet?

Der Gutachter erfasst gesundheitliche Beeinträchtigungen, Einschränkungen Deiner Selbstständigkeit oder Deiner Fähigkeiten in sechs verschiedenen Lebensbereichen. Diese Bereiche sind:

  • Mobilität
  • Kognitive und kommunikative Fähigkeiten
  • Verhaltensweisen und psychische Problemlagen
  • Selbstversorgung
  • Bewältigung von und selbstständiger Umgang mit krankheits- oder therapiebedingten Anforderungen oder Belastungen
  • Gestaltung des Alltagslebens und sozialer Kontakte

Für jeden Bereich erhältst Du Punkte. Diese werden am Ende gewichtet und zusammengerechnet. Anhand der Punktzahl ergibt sich der Pflegegrad.

Du kannst Dich auf diesen Besuchstermin auch vorbereiten. Hilfreich ist zum Beispiel, dass Du ein Tagebuch führst über Art, Häufigkeit und Intensität Deiner Beschwerden. Dies ist unter anderem wichtig, da die MS-Symptome ja meist nicht jeden Tag gleich stark ausgeprägt sind. Wichtige Unterlagen wie Arztbriefe, Befundberichte und der Medikamentenplan sollten am Termin bereitliegen.

Begutachtung in Corona-Zeiten

Normalerweise kommt der Gutachter zu Dir nach Hause. Allerdings: Wegen der Corona-Pandemie erfolgt die Begutachtung durch den MDK zurzeit und telefonisch und unter Zuhilfenahme der Daten eines Fragebogens.

Widerspruch einlegen

Wenn Du mit der Entscheidung der Pflegkasse nicht einverstanden bist, etwa weil der Antrag abgelehnt wurde oder ein aus Deiner Sicht zu niedriger Pflegegrad festgestellt wurde, kannst Du innerhalb eines Monats bei der Pflegekasse schriftlich Widerspruch einlegen. In der Regel wird daraufhin ein Zweitgutachten erstellt. Du erhältst dann einen neuen Bescheid. Bist Du mit dem Inhalt weiterhin nicht einverstanden, kannst Du innerhalb eines Monats vor dem Sozialgericht dagegen klagen.

Gut zu wissen: Ein Pflegegrad verhilft Dir nicht automatisch zu einem Schwerbehindertenausweis. Dafür müsstest Du einen Antrag bei deinem örtlichen Versorgungsamt stellen.


Pflege bei MS: Darauf solltest Du achten

Menschen mit MS benötigen in der Regel eine andere Pflege als Senioren:

  • Sie sind meist deutlich jünger und brauchen daher im Fall der Fälle über einen längeren Zeitraum hinweg Unterstützung.
  • Ihre Symptome können variieren und an verschiedenen Tagen unterschiedlich stark auftreten.
  • Sie verarbeiten ihre Krankheit und die krankheitsbedingten Einschränkungen eventuell anders als Senioren, die aufgrund von Alterserscheinungen auf Hilfe angewiesen sind.

Auf diese Besonderheiten sollten auch pflegende Angehörige und Mitarbeiter von Pflegediensten vorbereitet sein. Hilfreich kann zum Beispiel sogenannte aktivierende Pflege sein. Dabei wird dem Pflegebedürftigen gezeigt, wie sie bestimmte Alltagsaufgaben trotz ihres Handicaps weiter selbst ausführen können.

Aus diesem Grund gibt es spezielle Pflegedienste mit zertifizierter Weiterbildung im Bereich Umgang mit MS-Patienten.


DE-NONNI-00407, (02/2023)